>>In meinem Bekanntenkreis häufen sich die Omicron-Fälle und wer weiß, vielleicht hilft das hier irgendjemandem. Alsooo… Dinge, die ich vor meiner Coronaerkrankung gerne gewusst hätte, ein Thread:
1. Überall kursieren tausend Horrorgeschichten über schwere Verläufe, und ich weiß, die sollen Leute zur Vorsicht bewegen, aber in dem Moment, in dem man mit positivem Test allein zu Hause sitzt, hat man die alle plötzlich seeehr präsent und Ruhe bewahren ist nicht leicht.
Aller Wahrscheinlichkeit nach ist der Verlauf bei doppelter Impfung okay. Auch, wenn die Symptome einsetzen. Es ist okay. Keine Panik, ruhig bleiben.
2. Der ganze Coronadiskurs ist inzwischen sehr moralisch aufgeladen. Das merke ich daran, wie oft ich mir selbst und anderen gegenüber betone, dass ich niemanden angesteckt habe. Die Wahrheit ist aber: zum Teil ist das Glück und (Selbst-)Vorwürfe werden euch nichts bringen.
Es ist reiner Zufall, dass ich in der entsprechenden Woche unabhängig von Corona Erkältungssymptome hatte und weitgehend zu Hause geblieben bin. Es war eine sehr gute Entscheidung, aber hätte auch ganz anders kommen können und dann hätte ich das halt hinnehmen müssen.
(Bei jeder Gelegenheit zu Hause bleiben, frische(!) FFP-2-Masken tragen und Lüften ist trotzdem der shit schlechthin, macht das mal.)
3. Wenn ihr auf den PCR-Test wartet und keine Symptome habt, bringt eure Wohnung in einen Zustand, in dem es okay ist, wenn ihr 2 Wochen lang absolut NICHTS mehr macht. Spült. Hängt die nasse Wäsche unbedingt noch auf. Checkt den Kühlschrank, ob irgendwas schlimm schimmeln wird.
(Das gilt offensichtlich für alle, die alleine Leben. Zu Covid mit mehreren im Haus muss jemand anders nen Thread machen.)
4. Klärt, wer euch alles Einkäufe bringen kann. Idealerweise habt ihr ca. 4 verschiedene Parteien, damit immer jemand einspringt. Diese Leute müssen – einkaufen – die Post bringen (Briefkastenschlüssel!) – ggf. Müll rausbringen
(Es ist irgendwie umstritten, ob man seine Post noch holen darf, aber ich sag mal so: ab dem 2. Stock ist daran eh kein Denken mehr. Lasst es einfach, legt den Schlüssel unter die Fußmatte und gut.)
5. WICHTIG: Stellt euch darauf ein, ggf. zwei Wochen nicht kochen zu können. Ich war soooo stolz auf meine Vorräte und hab NICHTS davon verwenden können. Ich konnte nur: Brot, Müsli, Obst, später Tiefkühlpizza. Eier kochen ging noch ganz gut.
Meine größte Entdeckung waren in der Hinsicht Müsliriegel. An einem Tag ging irgendwie gar nichts, aber ich hatte mehrere Packungen Müsliriegel neben dem Bett liegen und das war dann einfach die Rettung.
6. Das liest man nirgendwo aber ist voll das Ding: wenn ihr wie ich Comfort Food als Copingmechanismus habt, sucht euch was anderes! Mein Geschmacks- und Geruchssinn waren komplett weg, Leute brachten mir Schokolade etc. und es war wie Luft essen.
Diese Symptomatik muss nicht auftreten, aber kann halt. Sie hatte auf mich starke psychische Auswirkungen, weil es mit Geschmacksverlust bei Erkältung schlicht nicht zu vergleichen war, ich Essen als Trost empfinde und dieser Mechanismus einfach wegfiel.
Was mir geholfen hat, waren Sachen mit interessanter Konsistenz und meine Freund*innen haben auch entsprechend eingekauft: Knuspriges Vollkornbrot, Müsli mit Nüssen, Obst mit lustiger Konsistenz, man kann ein Spiel draus machen.
7. Ich hab 4-5 Liter am Tag getrunken. Vor allem Tee (heißes Wasser geht auch). Ihr braucht nen Wasserkocher und ihr braucht ne große Kanne, lasst euch die im Zweifelsfall mitbringen. Auch jetzt noch geht es mir signifikant schlechter, wenn ich unter 3 Liter pro Tag falle.
h8. Setzt euch UNBEDINGT mit eurer Hausarztpraxis in Verbindung. Wenn ihr keine habt, findet eine, die euch telefonisch betreut. Lasst euch krankschreiben und wartet nicht auf den Bescheid vom Gesundheitsamt.
9. Die Gesundheitsämter sind überlastet. Mein Quarantänebescheid kam nach Ablauf meiner Quarantäne. Ihr könnt nicht davon ausgehen, dass ihr von der Seite Anweisungen, Ratschläge oder Betreuung kriegt, das ist bestenfalls Glückssache.
10. Der Moment, in dem die Lungensymptome einsetzen, ist der schlimmste. Bei mir war es nachts und ohne regen Kontakt zur Außenwelt hätte ich den Notarzt gerufen. Man kann frei atmen, aber es fühlt sich trotzdem so an als bekomme man keine Luft. Die Panik ist riesig.
Ich hab etwas Hemmungen, für die Situation Ratschläge zu geben, aber mir hat geholfen, zu wissen, dass andere das auch hatten und es offenbar *nicht* zwingend bedeutet, dass gerade die Atmung versagt. Ruhig, tief weiteratmen, nach Möglichkeit keine Panik-Googlerecherche machen.
Mir hat das hier sehr geholfen. Die Kurzatmigkeit ist übrigens noch immer nicht ganz weg und kann sich mit Pech richtig lange ziehen.
Hilfe zur Selbsthilfe bei Kurzatmigkeit während der COVID-19-Pandemie – European Lung Foundation
Ich habe zwischendurch ein Antibiotikum bekommen, das die Lungensymptome eingegrenzt und mich gut über ein Wochenende gebracht hat, an dem ich sonst permanente Panikzustände gehabt hätte. Sprecht mit eurer Hausarztpraxis, ob sowas für euch in Frage kommt.
11. Haltet unbedingt Kontakt zur Außenwelt. Dafür ist es egal, ob die Leute weit weg wohnen oder nicht, Hauptsache ihr könnt täglich mit jemanden schreiben/reden. Discord-Server sind ein Segen. Macht das auch, wenn ihr euch eigentlich zu müde fühlt.
Mir hat bei aller Panik extrem geholfen, dass ich wusste, wenn es wirklich so schlimm wird, dass ich mich nicht mehr melden kann, merken Leute das schnell. Wenn man zwei Wochen völlig isoliert ist, gibt das eine unglaubliche Sicherheit.
12. Stellt sicher, dass ihr ein Fieberthermometer im Haus habt und messt 2 Mal täglich. Ich fühlte mich z.B. oft fiebrig, hatte aber keins. Das war auch ein Beruhigungsfaktor. Gleichzeitig könnt ihr so die Arztpraxis oder den Notdienst informieren, falls die Temperatur steigt.
13. Wenn ihr richtig besorgt seid, ist das offenbar auch ne Option.
holt euch ein Pulsoximeter. Die Kosten wenig (20-40€) aber sind wirklich gold Wert. Wenn man Arzt oder (hoffe nie) Notarzt gleich den blutsauerstoffwert geben kann ist das extrem hilfreich.
14. Wenn der erste Tag konmt, an dem ihr wieder aufstehen könnt, BLEIBT LIEGEN! Wenn der zweite Tag kommt, BLEIBT LIEGEN! Den dritten am besten auch noch. Ich wollte “nur mal schnell das Nötigste abspülen” und war danach direkt wieder für zwei Tage platt.
Wenn ihr unbedingt was tun müsst, verteilt die Aufgaben über den Tag und setzt ein Maximum von 10 Minuten am Stück. Nach 15 Minuten an der Spüle taten meine Arme weh, nach 20 hab ich gekeucht wie beim Hochleistungssport.
Man kommt sich komisch vor, wenn die Tage zu einer einzigen Aufgabe zusammenschnurren. “Heute ist der Tag, an dem ich mir eine Pizza mache.” “Heute ist der Tag, an dem ich dusche.” “Heute ist der Tag, an dem ich 5 Schüsseln spüle, weil ich keine mehr habe.” Das ist normal.
15. Unterschätzt die psychische Belastung von Krankheit plus 14 Tage Isolation nicht. Ich war mehrfach kurz davor, die Telefonseelsorge anzurufen, weil ich zu den Leuten gehöre, die wirklich nicht dauerhaft allein mit ihren Gedanken im Bett liegen können. Nutzt Hilfsangebote!
16. Kuriert euch aus. Wenn es vier Wochen dauert, dauert es vier Wochen. Klar ist es nervig, sein ganzes Leben einen Monat lang zu pausieren. Ich werde keinen Dezember gehabt haben (dafür ist mein Futur II on point). Das ist eben so. Don’t fight it.
Ich wünsche euch natürlich, dass ihr alle diesen Thread nicht braucht, aber hoffe, dass er euch im Falle eines Falles vielleicht hilft – so wie viele Hinweise und Erfahrungsberichte mir durch die Zeit geholfen haben. Danke für die vielen Reaktionen und Genesungswünsche!
..
Nachtrag 2: Es stimmt, viele Verläufe haben auch nur einige oder keine dieser Symptome – oder ganz andere. Die Sache ist, ihr wisst vorher nicht, welche ihr bekommt, und meine gehörten alle zu den häufigeren, also stellt euch im Zeifelsfall drauf ein, sicher ist sicher. 🙂
Nachtrag 3: Ich habs oben schon gesagt, aber will das mit dem Oximeter nochmal betonen. Ich hatte keins und es wär SUPER gewesen. Es reicht ja auch, wenn man gemeinsam eins im Freundes- oder Familienkreis hat und es dann jemand vorbeibringt. <<